5 Jahre aktuellste Software ?
Rainer
spots4as at gmx.de
Do Jul 12 08:51:19 UTC 2012
Hallo Michael und Maxx,
Am Thu, 12 Jul 2012 08:51:26 +0200
schrieb Michael Höhne <mih-hoehne at web.de>:
> Hallo Maxx,
>
> > Ich sitze auf Arbeit manchmal an Windows-Rechnern, auf denen läuft
> > noch MS-Office 2000. Auch damit kann man arbeiten ;)
>
> Ich habe vor 3 Monaten bei einer kleinen Firma ausgeholfen, die sogar
> noch mit der 97er-Variante von Word und Access arbeiten. Da ihnen
> Lizenzen fehlten musste ich wegen des Ausbaus fleißig über ebay
> einkaufen ;-))
>
Und was soll uns das sagen? Mir sagt es, dass es sowas gibt. Soll auch
noch Leute geben, die sich bis heute gegenüber Allem verweigern, was
nach MS-DOS kam ;-) Repräsentativ aber für die Masse sind sie nicht.
Ich kenne mindestens eine *sehr große* Firma, in der tausende von
Beschäftigten mit der aktuellen Version von MS Office arbeiten.
Ich habe inzwischen mal Revue passieren lassen, wie ich bis vor vier
Jahren mit w2k gearbeitet habe (dann in etwa bin ich langsam auf Ubuntu
umgestiegen und w2k war/ist für mich nicht mehr Alltag, sondern
Ausnahme). Fazit: Mein Nutzungsverhalten war aus guten Gründen eher
konservativ: Mit Installationen und Konfigurationen wollte ich möglichst
wenig zu tun haben, denn oft sind sie aufwändig und rauben mir Zeit,
die mir an anderen Stellen dann fehlt. Ergo: Updates und Patches wurden
aufgespielt, ansonsten aber nichts verändert. Bin mit den
entsprechenden Festplatten auch mehrmals auf aktuelle Rechner
umgezogen, habe danach in wenigen Minuten kleine Anpassungen
vorgenommen (wg. evtl. vorhandener anderer Grafikkarte, etc.) und hatte
meine Ruhe. In Laufe der 7-8 Jahre wurde *nie* eine Neuinstalletion
notwendig.
Ähnlich sah es bei den Programmen aus: Grundsätzlich habe ich so lange
wie möglich keine neuen Versionen aufgespielt. Wenn sie funktionierten,
blieben sie. Aber: Wenn es in einem Programm Fehlfunktionen gab und es
von einer neueren hieß, sie seien behoben, kam auch die neuere drauf.
Wenn in einer neueren Version ein neues, mir willkommenes oder von mir
gewünschtes Feature bereitgestellt wurde, kam auch sie drauf. Wenn
Hardware-Veränderungen die Installation neuer Treiber oder neuer
Programme erforderlich machten, kamen auch die drauf. Und so weiter.
Letztlich habe ich mich kurz vor meinem Umstieg selbst mal darüber
gewundert, dass ich an den w3k-Rechnern 2 oder 3 Jahre so gut wie gar
nichts mehr machen musste (jedenfalls keine Probleme lösen) und
sie trotzdem fehlerfrei liefen.
Dann geriet ich in den Ubuntu-Hype (allerdings ein zweites Mal: Bei
Ubuntu 6 habe ich nach ein paar Monaten reichlich versenkter Zeit
entnervt aufgegeben). Die Paketverwaltung und die automatischen Updates
- das schien mir der Knaller zu sein und meinem oben beschriebenen
Nutzungsverhalten sehr entgegen zu kommen. Skeptisch war ich zwar wegen
der "kurzen" Laufzeit von LTS (ich hatte mit w2k ja immerhin 7 oder 8
Jahre gearbeitet und wurde in dieser Zeit nicht im Regen stehen
gelassen). Aber die Aussicht darauf, 3 Jahre immer *automatisch* auf dem
aktuellen Stand der Dinge zu sein, war verlockend. Was mir nicht
auffiel: das, worum es hier die ganze Zeit geht: Dass es bei den
Aktualisierungen gar nicht um diesen Gesichtspunkt geht, sondern um
Sicherheits-Updates und Beseitigung *einiger* Bugs. Ob es meine Schuld
war oder nicht, sei mal dahingestellt. Ich behaupte, dass kaum einem
Umsteiger richtig klar ist, dass es keine Programm-Upgrades gibt und
auch nicht alle Bugs beseitigt werden. Die andere Seite der Medaille
war/ist also, dass mit automatischen Aktualisierungen nicht automatisch
und nach und nach die Bugs verschwinden. Wenn ich aus dem Dilemma also
herauskommen will, muss ich das tun, was ich von w2k auch schon kannte:
Programme, die es betrifft, unabhängig von der Paketverwaltung
installieren. Also bin ich wieder da, wo ich unter w2k stand.
Unterschied: Unter w2k war die Installation dann idR wesentlich
einfacher und weniger frickelig, als unter Ubuntu.
Fazit:
Erstens hat Ralf vollkommen recht. Ubuntu - aber das gilt wohl
auch für Linux insgesamt - orientiert sich noch viel zu wenig an der
Masse der Anwender. Die meisten dürften nicht bereit sein, sich bei
Ubuntu auf die (manchmal masochistisch erscheinende) Art den Problemen
zu stellen, wie ich es tue, obwohl es mir nicht schmeckt.
Zweitens ziehe ich aus meinen eigenen Erfahrungen nicht automatisch
Schlüsse auf die "Masse der Anwender". sondern schaue mich um. Dort
aber - in einschlägigen Statistiken über Marktanteile - sehe ich, dass
Linux "seit Ewigkeiten" für die Masse der Anwender keine Alternative ist
(theoretisch zwar ja, aber praktisch nicht): Seit Jahren nutzen 98,5%
bis 99,5% der Anwender *nicht* Linux, sondern andere Betriebssysteme
(vor allem Windows, aber selbst Apple liegt noch deutlich vor Linux).
Drittens: Der geringe Erfolg von Ubuntu wiederum ist gleichzeitig auch
eine richtige Bremse für selbigen: Support-Qualität und -Quantität sind
begrenzt. Es wird nur selten möglich sein, mal eben einen Nachbarn oder
Bekannten zu fragen, wenn man nicht weiterkommt und von der Community
wird nicht jede Frage beantwortet. Ergo bleiben die Probleme liegen und
damit auch der Ärger über Fehlfunktionen. Oder man ist gezwungen,
auf etwas ganz zu verzichten, oder man investiert Energie in die
Suche nach Umwegen. Ist kein Vorwurf an die Community, nur eine
Feststellung.
Viertens (und erstmal "letztens"):
Ralfs Bemerkungen über "Kellerloch und Himmel" treffen durchaus zu: Wer
- wie Ubuntu, respektive Canonical - die Massen erreichen will,
arbeitet bisher am Ziel vorbei. IMO gilt das aber auch für Linux
allgemein (s. Ausführungen von Karl). Sie treffen für diejenigen nicht
zu, die sich auf sich selbst zurückziehen, im Grunde nicht mehr wollen,
als mit einem Betriebssystem zurechtzukommen und - ausgestattet mit
entsprechendem Wissen und entsprechenden Fähigkeiten - zufrieden zu
sein.
Viele Grüße
Rainer
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